Eine uralte Frage: Welchen Sinn hat ein Führerschein?
Die Antwort ist nicht schwarz/weiß. An den Endpunkten der Skala befinden sich zwei Extreme: am unteren Ende ein möglichst einfacher Zugang für möglichst viele Menschen. In der Seefahrt sind das die Nationen, die keinen Schein vorschreiben.
Am oberen Ende der Skala steht die Philosophie, dass der Führerscheinbesitzer alles kennen und können MUSS. Egal ob er es braucht oder nicht. Die Folge ist eine elitäre Welt.
Die große Frage bleibt, wo ist der vernünftige Ansatz.
Zu Roberts Gezeiten-Thematik hat Harald schon geschrieben, dass vom logischen Standpunkt die Gezeiten ganz klar zum FB1 gehören. Das wäre dann sinnvoll, wenn wir eine Seenation mit einer großen Gezeitenproblematik wären. Niemand darf raus, wenn er sich da nicht auskennt. Im FB1 müsste dann aber auch Radar aufgenommen werden, weil schlechte Sicht nicht auf das offene Meer beschränkt ist.
Ganz grundsätzlich meine ich, dass Führerscheine eine universelle Basis abdecken sollten und die Menschen dann in der Praxis ihr Wissen und ihre Fähigkeiten entsprechend ihrer Vorhaben weiter entwickeln sollten. Meinetwegen mit Zertifikaten. Willst du ein Schiff mit Radar chartern, brauchst du den Radarzusatz. Willst du im Gezeitenrevier fahren, brauchst du das Gezeitenzertifikat, usw. Man könnte es auch der Verantwortung des Skippers überlassen.
Ich bin am Meer seit 40 Jahren unterwegs. Davon fast 30 Jahre als Skipper. In diesen Jahrzehnten hatte ich dreimal Radar am Charterschiff.
Aber in den letzten 15 Jahren hatte ich kein einziges Schiff ohne GPS. Kein Thema bei uns.
In 40 Jahren hatte ich kein einziges Schiff ohne Funk. Kein Thema bei uns.
Die österreichischen Scheine sollten ausgemistet und an die Realität angepasst werden.
Wir sind eine Binnennation. Unser Seerecht beschränkt sich auf österr. Seeschiffe! Das wird häufig übersehen. Dafür fahren wir z.B. in kroatischen Gewässern mit einem Seeschiff unter kroatischer Flagge und haben keine Ahnung von den wichtigsten Paragrafen im kroatischen Seerecht*).
In 40 Jahren hatte kein einziges meiner Charterschiffe eine österreichische Flagge. Unser Status passt mit unserem Gesetz nicht zusammen.
Wir sollten Ausbildung mit Führerscheinprüfung von Weiterbildung und Training trennen.
Am Ende sollten wir auch überdenken, warum viele große Seenationen überhaupt keine Scheine vorschreiben? So gesehen rangiert das Kroatische Küstenpatent vom unteren Ende in der Skala nach oben, Richtung Mitte. Es gibt keinen Nachweis, dass Seefahrer aus Nationen mit geringen Qualifikationsvorschriften ein höheres Unfallrisiko haben. Die Versicherungen würden uns das mitteilen.
In meiner FB2 Prüfung 1994 mussten wir die Wende im Strom berechnen. Ehrlich, bis der Navigator mit Navigation auf der Karte fertig ist, hat der Steuermann die Felsen von Pag schon lange überquert und steht am Hang des Velebitgebirges
. In Zeiten von GPS ein Schwachsinn. Gottseidank nicht mehr im Programm. Dafür halten wie auf der Zwölftel Regel bei den Gezeiten eisern fest, obwohl sie nicht stimmt. Die Hilfen in den ATT oder Reed darf man aber nicht verwenden???
Es ist an der Zeit für eine neue JachtVO! Da würde ich gerne mitarbeiten.
Handbreit Rudi
*) weil mich diese Situation nervte habe ich das kroatische Seerecht übersetzt, und dabei viele Überraschungen gefunden:
"Kroatisches Seerecht für Boote und Yachten" auf
https://czaak.at